Mittwoch, 7. Oktober 2015

Externsteine: Ein modernes Heiligtum

Moin moin,

vor einigen Wochen war ich mit Freund und unserem Lieblingskumpel an den Externsteinen im Teutoburger Wald. In der spirituellen Szene sind "die Steine" ja recht beliebt und haben da auch eine gewisse Geschichte...

Externsteine, von "hinten" aus gesehen.
Ich war bereits 2003 zur Sommersonnenwende und 2005 am Wochenende vor der Wende schonmal da. Nun wurde es langsam wieder Zeit. Damals hatte ich mit einer Freundin ziemlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht: direkt zur Wende war das ganze eher wie ein Festival ohne Musik, will sagen dunkel gekleidete Betrunkene, Zelte, Müll. 2005 war es dann sehr leer, wir konnten viel mehr Atmosphäre genießen. Ein kleines Grüppchen bunt bemalter Leute trommelte und hüpfte mit uns um ihr Lagerfeuer, bis wir dann am Fuße eines Baumes auf der Wiese vor den Steinen einschliefen, mit Blick auf die Milchstraße und später den Sonnenaufgang (Zeltaufbau war damals inzwischen schon untersagt, da haben wir den Schlafsack eben einfach auf die Wiese gelegt).

Nach diesen 10 Jahren hab ich viel neues entdeckt, einiges anders gesehen. Jedenfalls haben wir diesmal viel auch um die Steine herum erkundet und uns vorher einige Infos aus dem Internet zusammengesammelt.
Geschichte vs. Urban Legends...
Dabei fiel uns auf, dass nur wenig wirklich belegte Information zu den Steinen, Höhlen, archäologischen Funden und Plätzen in der Umgebung besteht - der absolute Großteil sind subjektive Erkenntnisse einzelner Personen (die das leider nicht immer als solche deklarieren) oder "Urban Legends", also ungesicherte Infos, die sich so lange weiter verbreiten, dass niemand mehr eine Quelle dafür angeben kann (und/oder will). Und selbst in der wissenschafltichen Literatur sind viele Datierungen und Annahmen zur Funktion der gefundenen Objekte unsicher.

Höhlen in den Steinen.
Der "Wackelstein" - genauso wacklig
kam uns die Mythologie der Externsteine
irgendwann auch vor...
Dass die Externsteine tatsächlich ein "uraltes Heiligtum" waren, wird zwar oft behauptet, aber konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Es gibt archäologische Funde der Alt- und Mittelsteinzeit, die aber nicht auf eine Kultstätte schließen lassen. Dann gibt es über lange Zeit erstmal gar keine Anhaltspunkte, bis schließlich für das Mittelalter eine kultische (aber christliche) Nutzung recht sicher angenommen werden kann.
 
Dieser Wikipedia-Artikel ist recht empfehlenswert für einen ersten Überblick darüber was es alles gibt und was man dazu bislang tatsächlich herausgefunden hat.
 
Na toll, und jetzt?
Die Frustration bei meinen Begleitern war erstmal groß - man hatte doch irgendwie den bedeutendsten ur-heidnischen Megakultplatz der Germanen und ihrer Urahn*innen bis vor mindestens drei Eiszeiten erwartet! Inklusive Instant-Gottheitserlebnis und so. Und dann erfährt man, dass bis auf die christlichen Mönche alles nur auf gelinde gesagt ziemlich wagen Spekulationen beruht und die Höhlensysteme lange Zeit nur ganz profan als Gefängnis genutzt wurden...
Wird Zeit, die Erwartungen hinter sich zu lassen und zu schauen, was man machen kann aus dem, was da ist.
Schauen wir mal, was es noch so gibt...
Also ließen wir die Haupt-Steine und die wilden Spekulationen darüber hinter uns und schauten uns die Umgebung an. Und die verzauberte uns dann doch wieder. Zunächst mit wunderschöner Natur und interessant gewachsenen Bäumen...
Schöne Tiere...
...und merkwürdige Bäume.
Der "Augenbaum", inzwischen leider gefällt...
...trotzdem faszinierend.
...dann begegneten uns immer wieder "Hinweise auf kultische Handlungen" unserer Zeit. An vielen Bäumen hingen Bändchen. Spiralen und andere Zeichen wurden in Felsen geritzt. In einem zugewucherten Tal wurden Labyrinthe und Steinkreise errichtet...
Bunte Bänder hängen immer wieder mal an Bäumen und Gebüschen.
Ich mag Spiralen!
Ein spiraliges Labyrinth.
Einer von recht vielen Steinkreisen.
Ein OM in der Nähe vom Felsengrab.
Letztenendes zählt doch, was die Externsteine heute sind...
...und das ist ein buntes, wunderschönes, vielseitiges, verteiltes Kuddelmuddel von ganz kleinen bis etwas größeren Kultplätzen, die von vielen, ganz individuellen Menschen gefunden, gestaltet oder weiterentwickelt wurden. Die jede*r für sich anders interpretiert und nutzt, und die uns alle zusammenbringen.
 
Es war uns dann irgendwann doch ziemlich egal, was früher dort war oder nicht, ab wann man welche Gottheiten verehrt hat oder ob überhaupt. Man muss diesem Ort nicht extra eine möglichst epische Vergangenheit andichten. Man kann auch einfach bewusst akzeptieren, dass nur wenig rekonstruiert werden kann, und stattdessen diese moderne Entwicklung beobachten und sich darüber freuen - ich hab jedenfalls lieber einen zwei Jahre alten, aber benutzten Steinkreis mit Geschichen derer, die gerade darin getrommelt haben als falsche Informationen darüber, welche Riten angeblich schon vor 10.000 Jahren am Felsengrab vollzogen wurden...
So einen Steinkreis möcht ich mir auch mal bauen...

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