Donnerstag, 1. April 2021

Hawai'i: Maui angelt Inseln + der versunkene Kontinent Lemurien

Aloha,

heute gibt es erstmal eine letzte Geschichte von Maui: wie die hawaiianischen Inseln dank ihm entstanden! Ergänzend dazu eine alternative Geschichte, die aber eher ins Reich der Phantasie gehört.

~ Ein Angelausflug mit Maui ~

Für wahnsinnig viele Inseln Polynesiens gibt es Mythen, wie Maui sie aus dem Ozean emporangelt oder versucht, Gruppen von Inseln zu einem großen Stück Land zusammenzuziehen. Ich versuche hier mal, die verbreitetsten Varianten für Hawai'i zusammenzufassen.

Schauen wir uns aber zunächst die historische hawaiianische Angelausrüstung etwas genauer an: Der Haken war meist geschnitzt aus Knochen, einer stabilen Muschel, Schildkrötenpanzer oder einfach Holz. Daran wurden auch Kunstköder aus z.B. Muscheln oder Pflanzen befestigt. Mauis Haken war natürlich magisch und hieß Manai-a-ka-lani ("aus dem Himmel gekommen"). Er ist aus dem Kieferknochen einer seiner Ahninnen geschnitzt, die ihm den Knochen nach einigen Versionen der Geschichte bereits als Waffe für seinen Kampf mit der Sonne gab. In Neuseeland wird sie als in der Unterwelt wohnend beschrieben, mit einer lebendigen und einer toten Körperhälfte (Jynkx als Fan der neogermanischen Göttin Hel wird hier ganz hibbelig!). In einer wesentlich gemeineren Variante stammt der Kieferknochen von Mauis Großvater, dessen Essen Maui versteckt, bis der arme Greis verhungert, um ihm dann den Kieferknochen zu stehlen.
Die Schnur an dem Haken wurde meist aus den Fasern des Busches Olonā gefertigt. Sie gehören zu den stärksten Pflanzenfasern der Erde, weshalb man damit auf Hawai'i beispielsweise auch Fischernetze und Körbe flocht oder Haifischzähne an Keulen befestigte. Beschwert wurde der Haken mit einem Gewicht aus Stein. Je nach Größe des Hakens kann man mit dieser Ausrüstung mittelgroße Fische bis hin zu Haien (oder wie Maui eben Inseln) angeln. Allerdings muss die Schnur beim Einholen stetig und fest angezogen werden, weil der Haken sich bei zu heftigem Gezappel leicht löst.
Ein nach historischem Vorbild gebautes hawaiianisches Kanu zum Fischen.
Maui war regelmäßig mit seinen Brüdern im Kanu zum Angeln unterwegs, auch wenn diese ihn irgendwann immer seltener mitnahmen, da er ihre gefangenen Fische öfters als die seinen ausgab, selbst aber auf dem Kanu nur in der Sonne chillte. An diesem einen speziellen Tag durfte Maui jedenfalls mit und nutzte als Köder je nach Version der Geschichte:
  • einen ganz normalen Köder (Fisch, Shrimp, Tintenfischtinte oder ähnliches...)
  • ein Huhn seiner Mutter
  • Blut aus seiner Nase, gegen die er kurzerhand boxt, weil seine Brüder ihm keine Köder abgeben wollen
Schließlich beißt irgendetwas sehr schweres und sehr großes an. Maui ruft seinen Brüdern zu, nicht zurück zu schauen und so schnell zu paddeln wie möglich, um den riesigen Fisch einzuholen (Wir erinnern uns: immer gut ziehen! Asatru unter uns könnten sich spontan auch an Thors Angelausflug erinnert fühlen, bei dem er die Midgardschlange am Haken hatte). Je nach Version dauert dieses Gepaddel dann einige Tage, bis wahlweise folgendes geschieht:
  • Am Haken hängt Pimoe, der Gott der Fische, der im Prinzip einem großen Stück Land entspricht. Unerwartet schwimmt eine Kürbisflasche am Kanu vorbei. Als Maui sie vor sich ins Kanu legt, verwandelt sie sich plötzich in eine schöne Frau. Mauis Brüder sind abgelenkt, schauen sich um - und die Leine reißt. Pimoe ist nicht vollständig aus dem Wasser gehoben, sondern eben nur die größten Erhebungen, die jetzt Inseln darstellen.
  • Pimoe hängt am Haken. Als nach einigen Inseln Kauai, die nördlichste der großen Inseln, aus dem Meer aufsteigt, halten die Brüder sie für ein Seeungeheuer und ergreifen die Flucht, womit die Landhebung endet.
  • Zwischenzeitlich bemerkte Mauis Mutter Hina das Fehlen ihres Lieblingshuhns und dass es zappelnd an Mauis Haken hing. Sie eilte ihm zur Hilfe, konnte es aber nicht vom Haken lösen, sondern riss dem gebeutelten Huhn einen Flügel ab, kurz bevor Pimoe es verschluckte. Dadurch dass der Köder zerbrach, wird von Mauis Brüdern kein vollständiges Stück Land aus dem Wasser gezogen, sondern ein in mehrere Inseln zerbrochenes.
  • Meine Lieblingsvariante: niemand ist abgelenkt, die Leine hält, kein Huhn wird verletzt! Aber: Es hat überhaupt nichts angebissen, sondern der Haken hängt schon die ganze Zeit im Boden des Ozeans fest. Mauis Brüder heben in ihrer Anstrengung den Ozeanboden an und erschaffen damit eine Insel - und sind dann noch dusselig genug, bei jeder weiteren der insgesamt acht großen und drölfzig kleinen Inseln Hawai'is nochmal auf das gleiche Spiel reinzufallen.
Die Insel Mokoli'i (Eidechse) vor O'ahu - schlechtes Beispiel an dieser Stelle, denn diese Insel entstand
nachträglich aus dem Schwanz einer riesigen Eidechse, die von der Göttin Hiʻiaka getötet wurde.
In anderen Varianten bestehen die Inseln schon, und Maui möchte sie nur zusammenziehen, was aber - dank der zurückschauenden Brüder - misslingt. In einer Variante davon hilft sogar die Kürbisflaschenfrau dabei, die mit dem Haken ins Meer springt und den Fisch bittet, den Mund zu öffnen, weil sie mit Maui über die Anzahl seiner Zähne gestritten habe. Als er dies tut, hakt sie ihn schnell an den Haken. Viele Zähne hatte er wohl nicht, denn der Fisch heißt in dieser Variante Uniho-kahi ("Einzahn").


Nun haben wir also eigentlich ausreichend Information darüber, wie die Inselkette Hawai'i aus dem Ozean nach oben kam. Wer dazu noch "Alternative Fakten" will, möge die Theorie heranziehen, dass im Pazifik einst ein Kontinent namens Lemuria bestand, voll von friedlichen, hellsichtigen, Dinkel und Knoblauch essenden Menschen, die in engem Kontakt mit Zwergen, Feen und Außerirdischen lebten und erst mit 21 Jahren Sex hatten. Irgendwann fingen sie angeblich an zu expandieren, wodurch auch Atlantis entstand, das bekanntlich moralisch verkam. Ein Kristall auf Atlantis sendete dann eine Frequenz aus, die die Schwingung Lemurias zerstörte und Lemuria untergehen ließ, wobei die Berge aber noch aus dem Wasser gucken und heute Hawai'i darstellen.
Das ganze wäre eine nette Geschichte, wenn sie nicht leider auf einem Missverständnis beruhen würde: Lemuria lag laut seinem Erfinder, dem Zoologen Philip Sclater, nämlich nicht im Pazifik, sondern im indischen Ozean, und stellte die Landbrücke dar, über die die Lemuren (also diese kleinen Äffchen, nicht irgendwelche Lemuiraner*innen!) nach Madagaskar kamen - weil es auf dem afrikanischen Festland nämlich keine gab. Geologische Erkenntnisse widerlegten diese Spekulation einer Landmasse zwischen Indien und Afrika allerdings ein paar Dekaden später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Woher die Lemuren nun kamen, weiß man aber immer noch nicht so richtig.

Für die Maui-Varianten hingegen gibt stichhaltige Beweise. Je nach Region wurden bei seinem Angelausflug nämlich durch das Werfen des Hakens bzw. durch ruppiges Ziehen an der Leine gewisse Teile der Landschaft demoliert. Beispielsweise wurde ein Stück vom Kraterrand des Kaula sowie Coconut Island von der Hauptinsel Hawai'i abgebrochen, wie man noch heute klar sehen kann. Auch Mauis Angelhaken Manai-a-ka-lani ist auf der Südhalbkugel der Erde noch als Sternbild zu erkennen (wird nur in unseren Breiten fälschlich als Skorpion bezeichnet).


...nächstes mal kommen wir zu einer anderen Gottheit, die ich sehr gern mag: Pele, die Vulkangöttin, die - ähnlich Hel - zugleich zerstört und Leben schafft. Auch sie hat ihren Teil zur Entstehung Hawai'is beigetragen und prägt Leben und Landschaft dort noch immer stark.

Freitag, 19. März 2021

Hawai'i: Maui verprügelt die Sonne + Einblicke in den nächtlichen Dschungel

Aloha

und willkommen zurück. Heute gibt es eine weitere Legende zum Halbgott Maui, und ich versuche mich kurz zu fassen, denn auch nach dieser Geschichte befinden wir uns chronologisch gesehen noch weit vor der Entstehung von Hawai'i... Deshalb gibt es zur Aufockerung danach noch ein paar Einblicke in den Dschungel!

Wir erinnern uns zurück: Maui hatte den Himmel angehoben, so dass die Menschen nun aufrecht gehen und Bäume höcher wachsen konnten. Über den hohen Himmel schritt nun auch die Sonne (Lā). Allerdings war sie dabei ziemlich zügig unterwegs. Die Tage waren viel zu kurz und die darauf folgenden Nächte lang, nass, kalt und dunkel. Das bereitete den Menschen einiges Ungemach: Früchte hatten nicht genug Zeit zu reifen, gewaschene Kleidung trocknete kaum, das Essen konnte nicht innerhalb eines Tages gekocht werden, die Menschen hatten zu wenig Zeit zum Fischen, Gesänge für die Gottheiten konnten nicht zuende gesungen werden usw...

Was denn, der Tag ist schon wieder rum??

Mauis Mutter Hina beschwerte sich lautstark, und schließlich ärgerte sich auch Maui über die Rücksichtslosigkeit der Sonne, die die Bedürfnisse der Menschen nicht beachtete. Er beschloss, ihr etwas Rücksicht einzuprügeln. So kam es zu einer weiteren beliebten Geschichte um Maui:

~ Wie Maui die Sonne einfängt (und verprügelt) ~

Hina riet Maui, zu seiner Großmutter zu gehen und ihre Bananen zu stehlen, damit sie auf ihn aufmerksam wird und hilft. Ein etwas merkwürdiger Tipp, aber die fast blinde alte Dame, die besagte Bananen eigentlich auch noch für die rücksichtslose Sonne kochte, half ihm nach diesem Mundraub tatsächlich. Sie verriet, von wo aus die Sonne jeden Morgen Bein für Bein über den Kraterrand des Haleakalā steigt, woraufhin er dort die insgesamt 16 Beine nacheinander an einen Wiliwili-Baum binden soll. Glücklicherweise redete sie Hitzkopf Maui noch aus, die Sonne wahlweise permanent an den Baum zu fesseln oder ihr alle Beine abzuhacken, um einen dauerhaften Tag zu erschaffen. Damit könnten sich weder Menschen und Tiere noch die Sonne erholen, und sicherlich würde die Sonne dann bald vor Erschöpfung sterben, womit auch niemandem gedient wäre. Die Bananen-Oma riet ihm schließlich, die Sonne einfach so lange mit seiner magischen Axt zu verprügeln, bis sie einem vernünftigen Kompromiss zustimmt.

Gesagt, getan. Maui versteckte sich in einer Mulde beim Wiliwili-Baum, und schon bald kam das erste Bein der Sonne über den Kraterrand. Die Sonne war offenbar nicht die hellste (*hust*), denn sie bemerkte erst nach Fesselung des letzten Beins, was vor sich ging. Maui begann, mit der Axt auf die arme Sonne einzuschlagen und vergaß im Eifer des Gefechts wieder, dass er sie eigentlich nicht töten sollte. Ihr Geschrei und panische Versuche zu verhandeln brachten ihn aber glücklicherweise wieder zur Besinnung. Nach einigem Verhandeln, seitens Maui verbunden mit gelegentlicher Argumentbekräftigung per Axthieb, einigten sie sich auf einen Kompromiss*. In einer Jahreshälfte muss die Sonne langsamer über den Himmel ziehen, damit alle anderen ihre Erledigungen fertig bekommen, bevor es dunkel wird. In der zweiten Jahrshälfte darf sie weiterhin schneller laufen, damit sie nachts mehr Zeit hat, sich zu erholen.

*(Mittels vergleichbarer Methodik würgte Maui auch das Geheimnis des Feuermachens aus einem Bläßhuhn heraus, das seitdem eine rote, kahle Stelle am Kopf hat. Aber das zu erzählen würde hier etwas ausufern...)

Die Sonne hat es für heute geschafft und darf sich ausruhen - im Meer vor Turtle Bay, O'ahu.

Auf Hawai'i hat es uns etwas überrascht, dass die Sonne wirklich extrem früh untergeht - dort ist dank Äquatornähe nahezu 12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht. Um 18 Uhr ist es zappeduster, entsprechend wird um 17 Uhr schon eine gute Nacht gewünscht und ein Flug um 18 Uhr als Nachtflug bezeichnet. Aber gut, so waren wir zwischen 20 und 21 Uhr im Bett, das hat die Zeitverschiebung gefühlt um einiges reduziert.

Und wie sind die Nächte auf Hawai'i so? Hier ein Video mit original Ton und Bild (!!) aus unserer Unterkunft im Urwald von Pahoa, Hawai'i (Big Island):

Der größte Krawall entstammt hier keinen Vögeln, sondern kleinen, eingeschleppten Coqui-Fröschen, die auf Big Island und Maui wohl schon einige Touris in die Flucht geschlagen haben. Die quaken bis zu 100 dB(A) laut, was einer vorbeifahrenden U-Bahn entspricht. War für uns kein Problem: mich belasten Menschen im Flugzeug wesentlich mehr, daher hatten wir sehr gute Ohrstöpsel dabei. Eher nervig war, dass es auf dieser Seite der Insel nachts wie aus Eimern schüttete und die Häuser meist keine Fensterscheiben haben, sondern nur Mückennetze. Und so ab der Hälfte der Nacht war dann das gesamte Bettzeug ziemlich klamm.

Und wenns jetzt auch nicht zu Maui passt, hier noch ein Bild von unserer Unterkunft, damit man sich das vorstellen kann:

Noch mehr Basic als Dzielnica! Aber es gab Solarmodule, Regenwassertank und die leckersten Bananen der Welt.

Donnerstag, 18. März 2021

Hawai'i: Maui hebt den Himmel an

 Aloha,
willkommen zum meinem ersten Post über Hawai'i! Wir bewegen uns hier im polynesischen Raum, dessen bunte und lebensnahe Mythologie in der westlichen Welt leider weitestgehend unbekannt ist.

Die Inselgruppen Polynesiens erstrecken sich von Neuseeland bis Hawaii und nach Osten hin bis zur Osterinsel, die heute zu Chile gehört. Trotz nur müdlicher Überlieferung, der riesigen Entfernungen zwischen den Inseln und teilweise Jahrhunderten ohne Kontakte sind die Mythen vor allem im Dreieck Neuseeland, Hawai'i und Tahiti erstaunlich ähnlich. Viele der Geschichten wurden aber regional so geprägt, dass sie die Topografie des Landes oder das Aussehen von Pflanzen oder Tieren erklären. Aus Respekt vor den Gottheiten wurden sie traditionell nur tagsüber erzählt, und die Zuhörenden saßen still und möglichst bewegungslos vor der erzählenden Person.

Entstanden sind sowohl die Inselgruppe Hawai'i als auch viele andere polynesische Inseln im Rahmen des Angelausflugs eines Halbgottes, aber beginnen wir weiter vorn... Besagter Halbgott Maui machte zunächst die Erde ein ganzes Stück angenehmer und bewohnbarer für die Menschen (nicht zuletzt dank beharrlichem Genörgel seiner Mutter Hina). Er wird auch "der Listenreiche" genannt, und der berühmte hawaiianische Sänger Israel Kamakawiwo'ole bezeichnete ihn in einem Lied als den hawaiianischen Superman (wie ich finde nicht sein bestes Lied, aber in diesem Kontext interessant). Vielleicht kennt ihr Maui aus dem Disneyfilm Vaiana - dort werden tatsächlich einige seiner Heldentaten angesprochen. Nach den Geschichten, die ich bislang gelesen habe, kommt er mir vor wie eine Mischung aus Thor (körperliche Kraft und Hitzköpfigkeit, er (er)schlägt öfters mal jemanden und scheint eher grobmotorisch veranlagt zu sein) und Loki (Listigkeit, Gestaltwandeln, nach neuseeländischen Mythen hat er auch bei der Erschaffung der Menschen mitgewirkt) ...und einer großen Portion Faulheit.

Die hohen Bergkämme der Ostküste von O'ahu.

Maui verdanken wir es, dass wir die Berge so hoch aufragen sehen können wie auf dem Bild, dass die Palmen so hoch werden können und überhaupt, dass wir aufrecht gehen können, denn:


~ Maui hebt den Himmel an ~ 

Vor langer Zeit war der Himmel noch deutlich näher an der Erde. Um genau zu sein so nah, dass die Menschen sich nur wie Eidechsen kriechend fortbewegen konnten. Dieses bisschen Abstand haben uns freundlicherweise die Pflanzen geschaffen, die unvorstellbar lange gegen den Himmel wuchsen und dabei mit ihren Blättern beharrlich dagegen drückten. Daher sind übrigens auch heute noch fast alle Blätter flachgedrückt.

Maui lebte mit seiner Mutter Hina in Kauiki am Fuße des Berges Haleakalā, ganz im Osten der Insel Maui. Hina fand dieses Kriechen ziemlich unbequem, vor allem da der Boden so heiß war, dass man sich auch noch den Bauch verbrannte, wenn man zu langsam unterwegs war. Sie lag dem Faulpelz Maui in den Ohren, endlich etwas dagegen zu tun. Maui stemmte sich also mit aller Kraft gegen den Himmel - und weil er um einiges kräftiger war als die Pflanzen, gab dieser plötzlich knirschend ein kleines Stückchen weit nach. Maui konnte sich auf Knie und Hände aufrichten und versuchte, aus dieser Position weiter zu drücken. Aber wie es schien, hatten ihn die halbgöttlichen Kräfte nach dem ersten Erfolg verlassen. Er drückte und schwitzte und fluchte und betete, aber der Himmel bewegte sich nicht weiter.

Da kam eine Frau mit einem Gefäß kühlen Wassers vorbeigekrochen. Maui fragte danach, und sie reichte es ihm zur Erfischung. Maui trank einen großen Schluck und stemmte sich nochmals mit aller Kraft gegen den Himmel. Und tatsächlich, das Wasser hatte geholfen, der Himmel bewegte sich knirschend und rumpelnd ein weiteres Stück. Von der Hilfe des Wassers überzeugt, trank Maui nochmal, drückte, trank und drückte wieder... Schließlich hatte er den Himmel schon so hoch gedückt, dass die Lichtnussbäume (Kukui) darunter stehen konnten, was immerhn rund 20 Meter Höhe entspricht. Dadurch war auch der Boden nicht mehr so furchtbar warm, denn die Hitze konnte sich besser verteilen.

Inzwischen hatten natürlich die Menschen bemerkt, was vor sich ging. Sie feuerten Maui an und schlossen Wetten ab, wie hoch er den Himmel wohl noch drücken könne. Aber auch damals gab es schon missgünstige Mitbürger*innen, die sich berufen fühlten, jeglichen Innovationsprozess schlechtzureden. Und so stand am Rand der begeisterten Menschenmenge ein kleinkartoffeliger Miesepeterling, der Maui als dumm beschimpfte und statuierte, dass man an den niedrigen Himmel immerhin gewöhnt gewesen sei. Außerdem habe zumindest nicht die Gefahr bestanden, dass er den Menschen auf den Kopf fiele. Maui kümmerte sich aber nicht um ihn, sondern sammelte nochmal alle Kräfte zusammen, rannte den Berg Haleakalā hinauf und sprang mit Schwung so stark er konnte gegen den Himmel (quasi wie Super Mario, der gegen eine Kiste hüpft).

Krater auf dem Haleakalā - oder vielleicht Fußspuren von Mauis letztem Spung?

Der Himmel gab ein letztes mal nach und bewegte sich ein gewaltiges Stück nach oben an seine heutige Position. Als Maui zufrieden und von den Menschen gebauchpinselt nach Hause ging, begegnete er wieder dem Miesepeterling. Maui ist zwar ein Held und tat den Menschen viel Gutes, aber er war eben auch ein Hitzkopf. Die Beleidigung ließ er dann doch nicht auf sich sitzen. Der Miesepeterling konnte zwar noch quer über die Insel fliehen, wurde aber etwas nördlich von Lahaina von Maui erschlagen. Maui verfluchte den Toten, und dieser verwandelte sich in einen großen schwarzen Stein, der noch heute dort zu finden ist (und an dem oft Feiern zu Ehren von Maui stattfinden).

Was lernen wir daraus?

  • immer genug trinken
  • nicht durch brummelige Besserwisserabernixtuer von einer guten Idee abbringen lassen
  • Halbgötter nicht beleidigen
Kann man nicht meckern: Himmel hochdrücken war unterm Strich eine gute Idee,
und runtergefallen ist er bis heute auch noch nicht.

...in den nächsten Beiträgen wird noch erzählt, wie Maui die Sonne fängt (und verprügelt), Inseln angelt und den Menschen das Feuer bringt. Außerdem muss ich natürlich von Pele erzählen, der Vulkangöttin und wie sie Hawai'i bis heute prägt.

Abgesehen von der Mythologie geht's dann noch ein bisschen um Flora & Fauna, die Geschichte Hawai'is und das Aloha-Mindset, das diese Reise zu der absout tiefenentspanntesten Zeit machte, die wir bislang hatten. Stay tuned, und mahalo fürs Lesen bis hierher!

Literaturtipps:
Manfred Miethe - Maui errichtet das Himmelsgewölbe (deutsch, angenehm zu lesender Einstieg und Geschichten von Maui und Pele)
W.D. Westervelt - Legends of Maui (englisch, bietet einen guten Überblickt zwischen den Versionen der Legenden über Maui in verschiedenen Regionen)
Martha Beckwith -  Hawaiian Mythology (englisch, das erschlagende Werk für alle, die wirklich eine umfassende Sammlung mit viel Theorie drum herum haben möchten)

Donnerstag, 15. September 2016

Schweden: Wandern und Wälder, Moore, Küsten, Wind!

Hej,
heute wirds schwedisch. Da wir ja ohnehin auf Seeland in Dänemark unterwegs waren, lag ein Abstecher nach Schweden nahe. Was wir nicht wussten war, dass die Brücke dazwischen so schweineteuer war (54 Euro pro Richtung! Zum Glück hatten wir Mitfahrende...). Aber es hat sich dennoch gelohnt, denn Schweden hat eine wirklich wunderschöne Natur und kann unterm Strich extrem günstig sein, wenn man es richtig anstellt.
Typische schwedische Landschaft im Südwesten.
Es herrscht in Schweden das Jedermannsrecht, d.h. bis auf in ausgewiesenen Naturschutzgebieten und auf Privateigentum ist das Zelten überall erlaubt, ebenso wie das Sammeln von Pflanzen, Brennholz, Beeren, Pilzen usw. (nur Bäume fällen darf man nicht, das stand extra dabei, Freund war etwas geknickt). Hinzu kommt, dass es verschiedene Fernwanderwege in Schweden gibt, beispielsweise den Skåneleden. Entlang dieser Wege sind in regelmäßigen Abständen von rund 17 km Lagerplätze eingerichtet, an denen meist eine Schutzhütte, Feuerplatz mit Holzvorrat und manchmal eine Toilette kostenlos zur Verfügung stehen. Entlang der Route gibt es auch immer mal wieder ausgeschilderte Trinkwasserquellen. Wer also entlang dieser Wege wandert oder einfach mit dem Auto zu den Lagerplätzen fährt, kann dort kostenlos und relativ bequem übernachten.
Ein Lagerplatz auf dem Skåneleden, hinter mir stand noch ein Verschlag mit Brennholz, links noch eine Toilette.
Wir waren mit dem Auto unterwegs, da ich ja auf dem Rückweg noch einen dienstlichen Termin in Odense in Dänemark hatte. Da brauchte ich dann leider doch so Krams wie hübsche aber vergleichsweise unfunktionale Schuhe, Hemd das im Rucksack zerknittern würde usw... Wer uns jetzt für verweichlicht hält, dem sei aber gesagt: wir sind die Etappe zwar nur mit Tagesgepäck und nicht mit vollständiger Ausrüstung gelaufen, dafür aber doppelt, sprich 17 km zum nächsten Lagerplatz und dann wieder zurück, wo eben das Auto stand, was insgesamt immerhin eine Tagesstrecke von 34 km war. Geht trotz teilweise schwerem Terrain recht gemütlich in 9 Stunden, wenn man an derartigen Gewaltmärschen Freude hat.
Was ich am Campen in der Natur so besonders mag ist der Abend, den man wirklich irgendwo in der Pampa verbringen kann ohne sich Gedanken zu machen wie man in der Dunkelheit noch den Berg runter und nach Hause kommt. Die Sterne und vor allem, dass man am nächsten Tag nach dem Aufwachen nur das Zelt öffnen muss und schon wieder draußen ist... An einem Abend hatten wir sogar einen richtig schönen Regenbogen als Entschädigung für die ständigen Wolkenbrüche.
Abend am Lagerplatz.
Aus dem Zelt gemachtes Foto. Campen ist toll.
Wanderweg? Gradeaus weiter!
Bifröst, die Regenbogenbrücke nach Asgard, ist in Schweden anscheinend mehrspurig ausgebaut... Nicht ganz so toll ausgebaut sind die Wanderwege, auch auf dem Skåneleden. Zwar zeigen bunte Punkte auf Steinen und an Bäumen den Weg, aber in Deutschland würde man denken, man habe sich verirrt und stapfe grad über einen Trampelpfad, wenn überhaupt. Sieht natürlich teilweise sehr schön aus, auf einer Etappe bestand der Weg aber aus 10 cm breiten, sehr glitschigen, überwucherten, schiefen Holzplanken über einem Moor.
Freund war ziemlich sauer, diese rutschige Schwebebalken-Aktion versaute ihm die Durchschnittsgeschwindigkeit gewaltig. Für nichtmal 2 km Glibberbrettstrecke waren wir eine unerhörte Stunde unterwegs! Mir war die Zeit Wurst, ich hab mir lieber angeschaut, wo wir lang kamen, und hab Freunds Geschwindigkeit weiter verringert indem ich gar stehengeblieben bin, Grünzeug angeschaut und Beeren gepflückt hab.

Was so am Wegesrand wächst...
Zum Beerenpflücken ereignete sich noch eine lustige Geschichte. Überall wuchsen diese kleinen roten Beeren, die oben im mittigen Bild abgebildet sind. Ich war mir aber nicht ganz sicher, ob sie essbar sind, und beschränkte mich drum auf die Brom- und Blaubeeren. Schließlich trafen wir aber drei alte Schweden, die riiiesige Körbe davon geerntet hatten. Einer von ihnen sprach Englisch, drückte uns eine Hand voll in die Hände und erzählte mir, dass die Beere im Schwedischen Lingon heißt. Ich erkannte sie dann wieder (ja klar, das sind doch Preiselbeeren!), wusste aber auch das englische Wort nicht... Da fiel mir ein, dass es dazu ja eine Limonade bei IKEA gibt, und dann wusste der alte Schwede, dass ich jetzt weiß welche Beere das ist. Einige Zeit später, als wir auf einer Waldstraße weiterwanderten, fuhren die drei alten Schweden dann nochmal an uns vorbei, hupten und winken uns wild zu.

Schweden sind wirklich ein entspanntes und freundliches Völkchen. Als wir einige Tage vorher an einer Küste langwanderten, drückte mir ein entgegenkommender Schwede plötzlich einen glitzernden Stein in die Hand mit den Worten "It's a lucky stone, keep it well!"

An einer anderen Küste, auf der Landzunge des Kullaberg Nationalparks entstand dann übrigens das nachfolgende Bild. Boah war das ein Sturm! Nebeneinanderstehend musste man schreien, um sich zu verständigen. Aber dafür gibts wenigstens mal eine ordentliche Brandung und schöne Wellen!
Strand am Kullaberg, und Antwort auf die leidige Frage ob ich denn auch mal im Wasser war...
Bei der salzigen Luft, dem Geräusch der Brandung und diesen tollen Wellen hab ich mich so richtig wohl gefühlt. Vor allem, weil man hier in den Klippen ein bisschen herumklettern konnte und es auch mehrere Grotten gab. Freund war kein Fan von Freeclimbing und blieb die meiste Zeit oben auf dem Pfad... In eine der Grotten, die Silbergrotte (Silvergrottan), kam er dann aber doch mit. Sie entstand künstlich, nachdem König Frederik II aus Dänemark 1561 etwas silbernes in den Steinen schimmern sah und daraufhin 15 m Tunnel in die Steilküste hat kloppen lassen. Silber fand man dann doch nicht - das Glitzern waren andere Mineralien. Aber vielleicht wartete ja am Ende des Ganges wenigstens ein Plüsch-ZONK auf die armen Arbeitenden  (Kennt eigentlich noch jemand den ZONK?)
Aus der Silbergrotte.
Was gab es ansonsten noch zu sehen in Schweden? Ganz zusammenhanglos...
...ein zutraulicher Bock, der uns auf einer Wanderung begegnete...
...ein Dolmen (schwedisch: Dösen) in Skegrie...
...Thorshämmer und Thor...
...und eine nachgebaute Trelleborg in Trelleborg!

Freitag, 9. September 2016

Dänemark: Lejre, das Paradies für Megalithfans

Moin moin,
dieses Jahr haben wir eine kurze Tour durch Dänemark und die schwedische Westküste hoch gemacht. In unchronologischer Reihenfolge, einfach weil ich es am schönsten fand, hier ein kurzer Überblick über zwei tolle Ausflugsziele in Lejre bei Dänemark. Lejre liegt etwas südlich von Roskilde bzw. westlich von Kopenhagen und wir wären fast ahnungslos durchgefahren, wenn ich nicht durch Zufall im Waschhäuschen eines Campingplatzes in einem Prospekt ein winzelig kleines Bild vom Ganggrab Øm Jættestue entdeckt hätte. Im Nachhinein muss ich sagen, das war die mit Abstand schönste Ecke von Dänemark, die wir gesehen haben!
Das malerische Lejre, Sitz der mythischen ersten dänischen Könige. Die Hügel im Hintergrund sind Grabhügel.
Wenn ich ein mythischer König wär hätt ich mich auch hier breit gemacht!
Lejre ist quasi die dänische Variante vom Brú na Bóinne, nur nicht ganz so alt. Nach dem altenglischen Heldenlied Beowulf hatte hier das erste dänische Königsgeschlecht der Skjoldunger ihren Sitz. Obwohl diese vermutlich nur eine Legende sind, geht man doch davon aus, dass hier einst ein Königssitz war, unter anderem wegen Überresten von großen Hallengebäuden. Lejre schien über oder in verschiedenen Zeiten sehr bedeutend gewesen zu sein; man findet dort unter anderem jungsteinzeitliche Grabanlagen, eisenzeitliche Hügelgräber und Schiffssetzungen...
Unser erster Stopp war das besagte Ganggrab Øm Jættestue. Leider ohne Anfahrtsbeschreibung, und unser Navi kannte es auch nicht. Aber Dänemark ist ja übersichtlich, und so fuhren wir einfach erstmal nach Øm und dort durch nach Nordwesten Richtung Gammel Lejre, und schwupps bretterte Freund auch schon direkt am Hinweisschild zum Grab vorbei... Das Schild ist auch schon der einzige Hinweis, den man von der Landstraße aus sieht, denn ein Touri-Hotspot scheint es nicht zu sein. Zwei Infotafeln wurden angebracht, ansonsten steht das Grab offen und ist einfach zugänglich.
Abgeschiedenes Ganggrab...
Eingang ins Grab.
Während wir um den Hügel stapften war Freund schon dabei sich zu beschweren, dass es keinen Eingang gäbe, aber ungefähr im Osten fanden wir dann einen schmalen Spalt. Während wir damals bei Newgrange in Irland in Zehnergrüppchen und nur für kurze Zeit (und relativ viel Eintritt) ins Ganggrab hinein kamen, waren wir hier völlig allein und konnten uns so viel Zeit nehmen wie wir wollten. Oh, und Fotografieren im Inneren war hier auch nicht verboten! Dafür hab ich aber erstmal aufgeräumt und Kerzenstummel und leere Teelichter zusammengesammelt...
Im Ganggrab konnte man dann auch wieder aufrecht stehen.
Eine Taschenlampe wurde empfohlen, aber wir hatten Glück und die Sonne schien gerade hinein.
Øm Jættestue ist etwas mehr als 5.000 Jahre alt (also etwa wie Newgrange) und eines der größten und am besten erhaltenen Ganggräber in Dänemark. Entdeckt wurde es 1932 durch Zufall bei einer Pause während der Kartoffelernte.
Keine Sonnenwendausrichtung, aber trotzdem toll!
Um in das Grab zu gelangen, wurden damals die Decksteine des knapp 7 m langen Ganges entfernt, so dass der heutige "Graben" entstand, durch den man direkt hinein kommt. Nach den Funden im Grab nimmt man an, dass dort über Generationen die Toten des Stammes bestattet wurden - der Leichnam musste also irgendwie kriechend durch diesen Gang in die Grabkammer mit den alten verwesenden Leichen transportiert werden. Man kann also annehmen, dass die Athmosphäre damals eine deutlich andere war als das sanfte Licht und die frische Luft heute...
Funde von Grabbeigaben aus Kupfer und Urnen an der Außenseite des Hügels lassen darauf schließen, dass das Grab bis etwa 700 v.u.Z., also etwa 2400 Jahre nach seiner Errichtung immer wieder für Bestattungen genutzt wurde. Als Bauingenieur kann man von so einer Nutzungsdauer nur fasziniert sein!

Nach dem Ganggrab machten wir einen kleinen Zeitsprung und besuchten die eisenzeitlichen Schiffssetzungen und Hügelgräber bei Gammel Lejre. Schiffssetzungen sind keine tatsächlichen vergrabenen Schiffe, sondern Steinsetzungen in Form eines Bootes - quasi ovale Steinkreise. Sie befinden sich um Gräberfelder und stammen meist aus der Bronze- oder Eisenzeit.
Reste der Schiffssetzung in Gammel Lejre, im Hintergrund ein Hügelgrab.
Es existieren heute noch Reste von zwei Schiffssetzungen in Gammel Lejre, die wir gefunden haben. Eine davon besteht aus nur noch 5 Steinen und ist beim besten Willen nicht mehr als schiffsförmig zu erkennen. Bei der anderen, früher fast 100 m langen konnte man oben vom Grabhügel aus betrachtet die frühere Form noch ganz gut nachvollziehen. Man vermutet, dass die Schiffssymbolik den Toten helfen sollte, in das Totenreich zu gelangen. Nicht nötig hatten das offenbar einige fürstliche Personen, die in vier umliegenden Grabhügeln bestattet wurden. Im Grabhügel Grydehøj von 650, den ihr auf dem obigen Bild seht, wurden Überreste einer verbrannten Person, geschmolzenes Gold und Bronze sowie Überreste diverser geopferter Tiere gefunden. Das fand ich im Vergleich zu dem umliegenden Gräberfeld besonders interessant, weil dort die Toten anscheinend unverbrannt bestattet wurden - leider gaben die Infoschilder keine genauere Datierung als "Eisenzeit" für die Schiffssetzungen an (für die Bestattungen darin überhaupt nicht), und das ist ja ein sehr dehnbarer Begriff (die ging in Dänemark etwa von 500 v.u.Z. bis 1050 n.u.Z.).
Schiffsssetzungssteine nochmal von näher dran. Zumindest wirkt das Mistwetter auf dem Foto hübsch.
Bis 1800 sollen es übrigens noch vier weitestgehend komplette Schiffssetzungen in Lejre gewesen sein. Freund und ich grübelten, wer denn da bitteschön die Steine weggemopst hat und wozu überhaupt - dicke Steine gibt es doch auf Seeland genug. Wirklich schade drum, aber vielleicht war das ja auch einfach wieder ein wütender Landwirt wie der, der damals den Steinkreis bei Darmstadt demoliert hat...

Freitag, 2. September 2016

Rügen: Ein Heiligtum stürzt ins Meer...

Moin ihr Lieben,
aus dem (superschönen!) Schweden-Dänemark-Urlaub bin ich inzwischen zurück, und wie versprochen werde ich mich jetzt langsam ans Nachholen diverser Blogeinträge machen. Momentan ist es ja noch recht sommerlich, daher kommt nun ein heidnischer Reisebericht zu Rügen, denn die Strand-Bilder wirken jetzt noch nicht ganz so deplatziert.

Letzten Dezember hatte ich schon rumüberlegt, dass ich eigentlich gern mal nach Rügen würde. Glückspilz wie ich bin ergab sich schon im Frühjahr eine Dienstreise dorthin, bei der ich ein verlängertes Wochenende drangehängt habe. Rügen ist nicht nur einfach eine Ostseeinsel! Durch die weißen Kreidefelsen, die langsam ins Meer bröckeln, wirkt das Wasser türkis wie im Mittelmeer.
Die Kalkfelsenküste nördlich von Sassnitz.
Die spektakuläre Steilküste hat aber auch ihren Preis: jedes Jahr bricht mehr davon ab, die Insel wird dadurch immer kleiner... Der dichte Buchenwald an der Küste, durch den man heute noch wandern kann, wird irgendwann nicht mehr da sein. Man kann genau beobachten, welche Bäume als nächstes in die Tiefe fallen werden, manche von ihnen stehen schon fast waagerecht im Hang oder haben kaum mehr Boden unter den Wurzeln. Im Schnitt werden es jedes Jahr 30 cm weniger, das aber unregelmäßig. Teilweise brechen gleich mehrere Meter am Stück weg.
Diese Bäume steht nicht mehr lange...
In diesem Sinne war Rügen wohl gerade der ideale Ort für meine Stimmung - der Boden bricht weg und alles vergeht. Nun ja, trotzdem war es sehr schön und die Ruhe tat mir gut - und wenn ich Ruhe meine, dann aber wirklich. Ich war in der Vorsaison da und habe während meiner Ausflüge teilweise stundenlang keine einzige Person zu Gesicht bekommmen. Ein Traum!

Nach der Wanderung entlang der Küste wollte ich dann doch wieder etwas festeren Boden unter den Füßen haben und bin einige Kilometer ins Inselinnere gelaufen, um verschiedene Hügelgräber und Dolmen aufzusuchen. Mithilfe der tollen Homepage von Reinhard hab ich mir eine Karte mit Koordinaten zusammengestellt. Schon von weitem war klar, dass ich die eigentlich gar nicht brauchte: auf der Grasebene waren die Hügel schon von weitem zu erkennen, etwa alle 100 Meter war ein kleiner Hubbel mit einigen alten, knorrigen Bäumen darauf und in den meisten Fällen Überresten des Großsteingrabes darunter.
Hügelgräberhöhen! Hier der Blick von einem Hügel auf den nächsten.
Großsteingrab bei Loch 8...
...für ein besonders schönes Großsteingrab bin ich quer über einen Golfplatz marschiert, in dessen Mitte der verdächtige Hubbel mit knorrigen Bäumen aufragte...

Rügen besitzt unglaublich viele dieser Großsteingräber, die vermutlich von den Jägern und Sammlern stammen, welche die Insel nach der letzten Eiszeit besiedelten. Einige der Gräber sind leider ebenfalls schon mitsamt der Küste ins Meer gestürzt. Andere haben noch einige Jahrhunderte vor sich, bis der Küstenabbruch sie erreichen wird. Gerade im Abstürzen befindet sich aber ein ganz besonderes Stück der Insel: die Tempelburg bzw. Jaromarsburg am Kap Arkona.

Das Gelände der ehemaligen Tempelburg, vom Wall aus gesehen.
Die Tempelburg bestand vermutlich vom 9. bis 12. Jahrhundert n.u.Z. und bestand aus zwei Wällen, die man auch heute noch sehen kann, sowie einer zusätzlichen Befestigung aus Holz. Im Inneren befand sich ein Tempel, bei dem man davon ausgeht, dass er das zentrale Heiligtum des slawischen Hauptgottes Svantovit darstellte. Eine aus einem Eichenstamm geschnitzte Statue von ihm zeigte seine vier Gesichter, mit denen er in alle Himmelsrichtungen blickte.
 
Weil es ja anscheinend einfach nicht möglich ist, Leute mal in Ruhe und mit ihrem Glauben leben zu lassen, kam (kurzgefasst) im 12. Jahrhundert der dänische König Waldemar I mit seinem Heer angeschippert, verbrannte den Tempel, zerhackte die Statue des Gottes und brachte die Christianisierung.

Inzwischen wird außerhalb des Tempelgrundes wieder ein kleiner heiliger Ort mit einer Statue für Svantovit eingerichtet, am Eingang steht bereits eine zweigesichtige Version. So ganz tot bekommen hat man den Gott und das Heiligtum eben doch nicht, doch auch hier ist das Ende durch den simplen Lauf der Natur wieder abzusehen. Geschätzt sind bereits 2/3 der ehemaligen Tempelburg abgebrochen. Das verbliebene Drittel ist stark gefährdet und darum für Besuchende gesperrt. Es werden eilige archäologische Notgrabungen durchgeführt, bevor alles entgültig im Meer versinkt. Würdevoller und schöner kann das Ende eines heiligen Ortes doch gar nicht sein, oder?
 
Svantovit.
Hier seht ihr rechts die Abbruchkante der Tempelburg und den Rest eines Walls.
Auch das, was ich neben meinem "heidnischen Pflichtprogramm" noch angesehen habe, war irgendwie von Verfall und Vergehen geprägt, aber dennoch wunderschön: Die Ruinen des Schlosses Dwasieden. Das einst prachtvolle Schloss mit einem ausladenden Garten wurde 1877 erbaut. Nach dem Tod des Bauherrn wurde es verkauft und militärisch genutzt, 1948 dann unter sowjetischer Besatzung gesprengt. Es liegen jetzt Einzelteile im Wald herum, ein paar Säulen stehen noch auf Resten des Kellergewölbes. Man hört das Meer rauschen. Hier könnten Geister einen langsamen Walzer tanzen. Nicht mehr lange, und diese Ruinen liegen auch am Meeresgrund.
Die Überreste von Schloss Dwasieden am Meer.

Freitag, 27. November 2015

Deutschlands südlichste Menhiranlage - gleich bei mir um die Ecke!

Moin moin,
neulich stieß ich ganz zufällig darauf, dass gar nicht weit von unserem Feld eine Menhiranlage steht. Jawoll, eine echte (naja, gut, zwischenzeitlich von einem wütenden Bauern demolierte, nicht mehr ganz komplette, aber trotzdem) jungsteinzeitliche Menhiranlage direkt neben Darmstadt - die einzige dieser Art in Hessen und Süddeutschland (sonst gibts nur noch einzelne Steine)!
Heute wollte ich sowieso mal wieder aufs Feld, ein bisschen Salat und Petersilie besorgen und die letzten Pastinaken. Also bin ich ein Stück weiter geradelt und hab diese ominöse "Menhiranlage Hirtenwiese" gesucht. Das Wetter war ganz so, wie ich es liebe: kalt und neblig. Weil es nachts geschneit hatte, tropfte es um mich herum von den Bäumen.
 
Irgendwann trat ich aus dem Wald auf neblige Wiesen hinaus, und kurz darauf war die Menhiranlage auch schon ausgeschildert. Durch sie hindurch führt inzwischen ein Bach, in den doch tatsächlich gerade als ich vorbei kam ein Otter sprang und davonpaddelte (vermute ich zumindest, denn vom Biber angenagte Bäume konnte ich nirgends entdecken).
Der Weg zur Menhiranlage.
Bach und Brücke in der Anlage.
Ursprünglich floss der wohl etwas weiter entfernt, ebenso gab es früher auch den Wald noch nicht - erst in den 1920er Jahren wurde dieser angelegt, davor waren die Steine über eine weite Ebene gut sichtbar.
Es ist schon schade, was mit den Steinen passiert ist... Aufgestellt wurden sie irgendwann vor ca. 4.000 - 4.500 Jahren, vermutlich war es damals ein Steinkreis aus mindestens 14 Steinen. Von diesen sind heute gerade mal 7 übrig, die ein bisschen wie Kraut und Rüben stehen, jedenfalls nicht in einem Kreis.
Der größte Menhir.
Sechs der sieben (einer ist noch ganz links in Dunkelgrau),
der siebente befindet sich rechts auf der anderen Seite des Baches.
Wohin der Rest der Anlage verschwunden ist, weiß man nicht. Reinhard Möws schreibt auf seiner übrigens sehr empfehlenswerten Homepage über Großsteingräber und Megalithbauwerke, dass 1951 ein Bauer einen der Steine sprengte, der 34 m entfernt vom Bach auf der Wiese stand. Dass es sich dabei überhaupt um eine Menhiranlage handelt, wurde merkwürdigerweise erst 1967 festgestellt, also kann man es dem Bauern wohl nicht krumm nehmen. Auch nicht, dass man die meisten der verbliebenen Steine dann im Bach liegend vorfand...
In der Umgebung wurden bei Ausgrabungen übrigens Gegenstände aus Epochen von der Altsteinzeit (ca. 35.000 v.u.Z.) bis hin zur frühen Zeit der Kelten (vor 2.500 - 2.800 Jahren) gefunden.
Aussicht über die Wiese. Ein Kreis ist das wirklich nicht mehr, aber trotzdem hübsch.
Nunja, wir haben also eine Menhiranlage um die Ecke, die noch maximal die Hälfte ihrer Steine besitzt, von denen wohl keiner mehr weiß wo welcher mal stand, und durch die jetzt ein Bach fließt (in dem Otter leben, oder irgendwas anderes braunes, dickes das schwimmen kann). Ich will nicht meckern - besser ein halber Steinkreis, der eher wie ne Schlangenlinie aussieht, als gar keiner. Und die Umbegung ist dort im Naturschutzgebiet wirklich unerwartet schön gewesen!