Freitag, 19. März 2021

Hawai'i: Maui verprügelt die Sonne + Einblicke in den nächtlichen Dschungel

Aloha

und willkommen zurück. Heute gibt es eine weitere Legende zum Halbgott Maui, und ich versuche mich kurz zu fassen, denn auch nach dieser Geschichte befinden wir uns chronologisch gesehen noch weit vor der Entstehung von Hawai'i... Deshalb gibt es zur Aufockerung danach noch ein paar Einblicke in den Dschungel!

Wir erinnern uns zurück: Maui hatte den Himmel angehoben, so dass die Menschen nun aufrecht gehen und Bäume höcher wachsen konnten. Über den hohen Himmel schritt nun auch die Sonne (Lā). Allerdings war sie dabei ziemlich zügig unterwegs. Die Tage waren viel zu kurz und die darauf folgenden Nächte lang, nass, kalt und dunkel. Das bereitete den Menschen einiges Ungemach: Früchte hatten nicht genug Zeit zu reifen, gewaschene Kleidung trocknete kaum, das Essen konnte nicht innerhalb eines Tages gekocht werden, die Menschen hatten zu wenig Zeit zum Fischen, Gesänge für die Gottheiten konnten nicht zuende gesungen werden usw...

Was denn, der Tag ist schon wieder rum??

Mauis Mutter Hina beschwerte sich lautstark, und schließlich ärgerte sich auch Maui über die Rücksichtslosigkeit der Sonne, die die Bedürfnisse der Menschen nicht beachtete. Er beschloss, ihr etwas Rücksicht einzuprügeln. So kam es zu einer weiteren beliebten Geschichte um Maui:

~ Wie Maui die Sonne einfängt (und verprügelt) ~

Hina riet Maui, zu seiner Großmutter zu gehen und ihre Bananen zu stehlen, damit sie auf ihn aufmerksam wird und hilft. Ein etwas merkwürdiger Tipp, aber die fast blinde alte Dame, die besagte Bananen eigentlich auch noch für die rücksichtslose Sonne kochte, half ihm nach diesem Mundraub tatsächlich. Sie verriet, von wo aus die Sonne jeden Morgen Bein für Bein über den Kraterrand des Haleakalā steigt, woraufhin er dort die insgesamt 16 Beine nacheinander an einen Wiliwili-Baum binden soll. Glücklicherweise redete sie Hitzkopf Maui noch aus, die Sonne wahlweise permanent an den Baum zu fesseln oder ihr alle Beine abzuhacken, um einen dauerhaften Tag zu erschaffen. Damit könnten sich weder Menschen und Tiere noch die Sonne erholen, und sicherlich würde die Sonne dann bald vor Erschöpfung sterben, womit auch niemandem gedient wäre. Die Bananen-Oma riet ihm schließlich, die Sonne einfach so lange mit seiner magischen Axt zu verprügeln, bis sie einem vernünftigen Kompromiss zustimmt.

Gesagt, getan. Maui versteckte sich in einer Mulde beim Wiliwili-Baum, und schon bald kam das erste Bein der Sonne über den Kraterrand. Die Sonne war offenbar nicht die hellste (*hust*), denn sie bemerkte erst nach Fesselung des letzten Beins, was vor sich ging. Maui begann, mit der Axt auf die arme Sonne einzuschlagen und vergaß im Eifer des Gefechts wieder, dass er sie eigentlich nicht töten sollte. Ihr Geschrei und panische Versuche zu verhandeln brachten ihn aber glücklicherweise wieder zur Besinnung. Nach einigem Verhandeln, seitens Maui verbunden mit gelegentlicher Argumentbekräftigung per Axthieb, einigten sie sich auf einen Kompromiss*. In einer Jahreshälfte muss die Sonne langsamer über den Himmel ziehen, damit alle anderen ihre Erledigungen fertig bekommen, bevor es dunkel wird. In der zweiten Jahrshälfte darf sie weiterhin schneller laufen, damit sie nachts mehr Zeit hat, sich zu erholen.

*(Mittels vergleichbarer Methodik würgte Maui auch das Geheimnis des Feuermachens aus einem Bläßhuhn heraus, das seitdem eine rote, kahle Stelle am Kopf hat. Aber das zu erzählen würde hier etwas ausufern...)

Die Sonne hat es für heute geschafft und darf sich ausruhen - im Meer vor Turtle Bay, O'ahu.

Auf Hawai'i hat es uns etwas überrascht, dass die Sonne wirklich extrem früh untergeht - dort ist dank Äquatornähe nahezu 12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht. Um 18 Uhr ist es zappeduster, entsprechend wird um 17 Uhr schon eine gute Nacht gewünscht und ein Flug um 18 Uhr als Nachtflug bezeichnet. Aber gut, so waren wir zwischen 20 und 21 Uhr im Bett, das hat die Zeitverschiebung gefühlt um einiges reduziert.

Und wie sind die Nächte auf Hawai'i so? Hier ein Video mit original Ton und Bild (!!) aus unserer Unterkunft im Urwald von Pahoa, Hawai'i (Big Island):

Der größte Krawall entstammt hier keinen Vögeln, sondern kleinen, eingeschleppten Coqui-Fröschen, die auf Big Island und Maui wohl schon einige Touris in die Flucht geschlagen haben. Die quaken bis zu 100 dB(A) laut, was einer vorbeifahrenden U-Bahn entspricht. War für uns kein Problem: mich belasten Menschen im Flugzeug wesentlich mehr, daher hatten wir sehr gute Ohrstöpsel dabei. Eher nervig war, dass es auf dieser Seite der Insel nachts wie aus Eimern schüttete und die Häuser meist keine Fensterscheiben haben, sondern nur Mückennetze. Und so ab der Hälfte der Nacht war dann das gesamte Bettzeug ziemlich klamm.

Und wenns jetzt auch nicht zu Maui passt, hier noch ein Bild von unserer Unterkunft, damit man sich das vorstellen kann:

Noch mehr Basic als Dzielnica! Aber es gab Solarmodule, Regenwassertank und die leckersten Bananen der Welt.

Donnerstag, 18. März 2021

Hawai'i: Maui hebt den Himmel an

 Aloha,
willkommen zum meinem ersten Post über Hawai'i! Wir bewegen uns hier im polynesischen Raum, dessen bunte und lebensnahe Mythologie in der westlichen Welt leider weitestgehend unbekannt ist.

Die Inselgruppen Polynesiens erstrecken sich von Neuseeland bis Hawaii und nach Osten hin bis zur Osterinsel, die heute zu Chile gehört. Trotz nur müdlicher Überlieferung, der riesigen Entfernungen zwischen den Inseln und teilweise Jahrhunderten ohne Kontakte sind die Mythen vor allem im Dreieck Neuseeland, Hawai'i und Tahiti erstaunlich ähnlich. Viele der Geschichten wurden aber regional so geprägt, dass sie die Topografie des Landes oder das Aussehen von Pflanzen oder Tieren erklären. Aus Respekt vor den Gottheiten wurden sie traditionell nur tagsüber erzählt, und die Zuhörenden saßen still und möglichst bewegungslos vor der erzählenden Person.

Entstanden sind sowohl die Inselgruppe Hawai'i als auch viele andere polynesische Inseln im Rahmen des Angelausflugs eines Halbgottes, aber beginnen wir weiter vorn... Besagter Halbgott Maui machte zunächst die Erde ein ganzes Stück angenehmer und bewohnbarer für die Menschen (nicht zuletzt dank beharrlichem Genörgel seiner Mutter Hina). Er wird auch "der Listenreiche" genannt, und der berühmte hawaiianische Sänger Israel Kamakawiwo'ole bezeichnete ihn in einem Lied als den hawaiianischen Superman (wie ich finde nicht sein bestes Lied, aber in diesem Kontext interessant). Vielleicht kennt ihr Maui aus dem Disneyfilm Vaiana - dort werden tatsächlich einige seiner Heldentaten angesprochen. Nach den Geschichten, die ich bislang gelesen habe, kommt er mir vor wie eine Mischung aus Thor (körperliche Kraft und Hitzköpfigkeit, er (er)schlägt öfters mal jemanden und scheint eher grobmotorisch veranlagt zu sein) und Loki (Listigkeit, Gestaltwandeln, nach neuseeländischen Mythen hat er auch bei der Erschaffung der Menschen mitgewirkt) ...und einer großen Portion Faulheit.

Die hohen Bergkämme der Ostküste von O'ahu.

Maui verdanken wir es, dass wir die Berge so hoch aufragen sehen können wie auf dem Bild, dass die Palmen so hoch werden können und überhaupt, dass wir aufrecht gehen können, denn:


~ Maui hebt den Himmel an ~ 

Vor langer Zeit war der Himmel noch deutlich näher an der Erde. Um genau zu sein so nah, dass die Menschen sich nur wie Eidechsen kriechend fortbewegen konnten. Dieses bisschen Abstand haben uns freundlicherweise die Pflanzen geschaffen, die unvorstellbar lange gegen den Himmel wuchsen und dabei mit ihren Blättern beharrlich dagegen drückten. Daher sind übrigens auch heute noch fast alle Blätter flachgedrückt.

Maui lebte mit seiner Mutter Hina in Kauiki am Fuße des Berges Haleakalā, ganz im Osten der Insel Maui. Hina fand dieses Kriechen ziemlich unbequem, vor allem da der Boden so heiß war, dass man sich auch noch den Bauch verbrannte, wenn man zu langsam unterwegs war. Sie lag dem Faulpelz Maui in den Ohren, endlich etwas dagegen zu tun. Maui stemmte sich also mit aller Kraft gegen den Himmel - und weil er um einiges kräftiger war als die Pflanzen, gab dieser plötzlich knirschend ein kleines Stückchen weit nach. Maui konnte sich auf Knie und Hände aufrichten und versuchte, aus dieser Position weiter zu drücken. Aber wie es schien, hatten ihn die halbgöttlichen Kräfte nach dem ersten Erfolg verlassen. Er drückte und schwitzte und fluchte und betete, aber der Himmel bewegte sich nicht weiter.

Da kam eine Frau mit einem Gefäß kühlen Wassers vorbeigekrochen. Maui fragte danach, und sie reichte es ihm zur Erfischung. Maui trank einen großen Schluck und stemmte sich nochmals mit aller Kraft gegen den Himmel. Und tatsächlich, das Wasser hatte geholfen, der Himmel bewegte sich knirschend und rumpelnd ein weiteres Stück. Von der Hilfe des Wassers überzeugt, trank Maui nochmal, drückte, trank und drückte wieder... Schließlich hatte er den Himmel schon so hoch gedückt, dass die Lichtnussbäume (Kukui) darunter stehen konnten, was immerhn rund 20 Meter Höhe entspricht. Dadurch war auch der Boden nicht mehr so furchtbar warm, denn die Hitze konnte sich besser verteilen.

Inzwischen hatten natürlich die Menschen bemerkt, was vor sich ging. Sie feuerten Maui an und schlossen Wetten ab, wie hoch er den Himmel wohl noch drücken könne. Aber auch damals gab es schon missgünstige Mitbürger*innen, die sich berufen fühlten, jeglichen Innovationsprozess schlechtzureden. Und so stand am Rand der begeisterten Menschenmenge ein kleinkartoffeliger Miesepeterling, der Maui als dumm beschimpfte und statuierte, dass man an den niedrigen Himmel immerhin gewöhnt gewesen sei. Außerdem habe zumindest nicht die Gefahr bestanden, dass er den Menschen auf den Kopf fiele. Maui kümmerte sich aber nicht um ihn, sondern sammelte nochmal alle Kräfte zusammen, rannte den Berg Haleakalā hinauf und sprang mit Schwung so stark er konnte gegen den Himmel (quasi wie Super Mario, der gegen eine Kiste hüpft).

Krater auf dem Haleakalā - oder vielleicht Fußspuren von Mauis letztem Spung?

Der Himmel gab ein letztes mal nach und bewegte sich ein gewaltiges Stück nach oben an seine heutige Position. Als Maui zufrieden und von den Menschen gebauchpinselt nach Hause ging, begegnete er wieder dem Miesepeterling. Maui ist zwar ein Held und tat den Menschen viel Gutes, aber er war eben auch ein Hitzkopf. Die Beleidigung ließ er dann doch nicht auf sich sitzen. Der Miesepeterling konnte zwar noch quer über die Insel fliehen, wurde aber etwas nördlich von Lahaina von Maui erschlagen. Maui verfluchte den Toten, und dieser verwandelte sich in einen großen schwarzen Stein, der noch heute dort zu finden ist (und an dem oft Feiern zu Ehren von Maui stattfinden).

Was lernen wir daraus?

  • immer genug trinken
  • nicht durch brummelige Besserwisserabernixtuer von einer guten Idee abbringen lassen
  • Halbgötter nicht beleidigen
Kann man nicht meckern: Himmel hochdrücken war unterm Strich eine gute Idee,
und runtergefallen ist er bis heute auch noch nicht.

...in den nächsten Beiträgen wird noch erzählt, wie Maui die Sonne fängt (und verprügelt), Inseln angelt und den Menschen das Feuer bringt. Außerdem muss ich natürlich von Pele erzählen, der Vulkangöttin und wie sie Hawai'i bis heute prägt.

Abgesehen von der Mythologie geht's dann noch ein bisschen um Flora & Fauna, die Geschichte Hawai'is und das Aloha-Mindset, das diese Reise zu der absout tiefenentspanntesten Zeit machte, die wir bislang hatten. Stay tuned, und mahalo fürs Lesen bis hierher!

Literaturtipps:
Manfred Miethe - Maui errichtet das Himmelsgewölbe (deutsch, angenehm zu lesender Einstieg und Geschichten von Maui und Pele)
W.D. Westervelt - Legends of Maui (englisch, bietet einen guten Überblickt zwischen den Versionen der Legenden über Maui in verschiedenen Regionen)
Martha Beckwith -  Hawaiian Mythology (englisch, das erschlagende Werk für alle, die wirklich eine umfassende Sammlung mit viel Theorie drum herum haben möchten)