Gestern ist etwas sehr merkwürdiges passiert: das absolut ungetaufte Jynkx und der ebenfalls ungetaufte Lieblingskumpel sind einen ökumenischen Pilgerpfad im einem germanischen Gott gewidmeten
deutschen Mittelgebirge entlanggepilgert.
Der
St. Jost Pilgerweg ist mit
entspannten 22 km Länge auch für eine Tagestour ideal. Alle Infos und die Karte dazu findet man auf der
Homepage des Pilgerweges.
St. Jost hätte im 7. Jahrhundert eigentlich ein Fürstentum geerbt,
wurde aber lieber Pilgerer, Prediger und Eremit. Er ist darum auch der
Schutzpatron der Pilgernden, passt also ganz gut für die erste
Pilgerreise.
Eine Stunde Busfahrt durch
Odenwälder Käffer brachte uns bis Niedernhausen, von wo aus wir us schonmal warmwandern konnten zur ersten Station, der St. Johannes der Täufer Kirche. Dabei kamen wir am
Schloss Lichtenberg vorbei und fanden schon erste Markierungen des Pfades. Fast wären wir
die letzte Etappe des Pilgerpfades, den Erleuchtungspfad vom Schloss zur
Kirche, schon entlanggelaufen. "Glücklicherweise" verirrten wir uns
aber ein bissel (muss man sich ja erstmal dran gewöhnen wie sowas
ausgeschildert ist...) so dass wir unsere Erleuchtung nicht zu früh verpasst bekamen.
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Rückblick: die ersten 100 m geschafft!
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An der Kirche, in die wir kurz
hineinschauten, begann der Weg ziemlich motivierend: aus der Kirchentür
raus gradezu die Treppe und den Berg runter. Diese Etappe heißt
passenderweise auch Aufbruchspfad. Man denkt sich "Und
los!" Ein Infoschild informierte uns noch darüber, dass Gott(™) uns segnet
und behütet, während wir unterwegs sind.
Nach einer kurzen Strecke durch das
Dörfchen und an einem extrem lauten Froschteich vorbei gelangte man im
Wald zu einer Ruine der ehemaligen Kapelle für St. Jost. Es ist nicht
mehr wirklich was davon übrig, aber es wurde ein Kreuz aufgestellt und
eine offene Kapelle aus Holz erbaut. Danach folgte der Stille Pfad, der teilweise eher nach Trampelpfad aussah So richtig viel Pilgerbetrieb scheint hier noch nicht zu sein...
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Offizieller Pilgerweg. |
Schließlich gelangte man aber auf einen breiten Feldweg mit schöner Aussicht auf Niedernhausen, das schon ganz schön weit weg schien, und etwas später zu einer kleinen Anhöhe. Darauf liegt die Station Zwölf Apostel,
gut geeignet für die erste kleine Brotzeit und das Auftragen von Sonnencreme,
denn bei uns war es langsam Mittagszeit und die Sonne knallte hier schon
ziemlich auf uns zwei motivierte Pilgernde herunter. Wir entdeckten,
dass ein Grüppchen neugepflanzter Bäume um die Sitzgelegenheit wohl die
12 Apostel symbolisieren sollte. Wenn die Bäume etwas dicker werden,
wirds jedenfalls ziemlich kuschlig in dem kleinen Kreis darin...
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Super Wetter, und so schöne Blumen zum Pimpen des Pilgerhutes.
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Die Hinweistafel für die nächste Etappe informierte uns, dass ein Steigender Pfad vor uns lag und wir nun einen Stein hinaufschleppen sollen, in den man
hineinlegt, was auch immer man gern loswerden möchte. Der folgende Anstieg war auch unabhängig vom fix gesuchten Stein schon etwas
anstrengend, zumal er größtenteils in der prallen Sonne lag. Lieblingskumpel
(der ürbigens bei meinem Geburtstagscamping auch mit unter anderem
einer Auswahl von 5 verschiedenen Gläsern Brotaufstrich fürs Frühstück auf den
Altkönig im Taunus gestiegen ist) hat sich trotzdem unterwegs noch 9
weitere Steine aufgepickt und mitgeschleppt.
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Troll-Behausungen.
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Es ging vorbei an den
typischen Steinformationen, die man überall im Odenwald findet. Neben
den Infos über alle möglichen am Wegesrand wachsenden Kräuter und Gräser
bekam ich von meiner Pilgerbegleitung jetzt auch Hinweise, wie man sich
mittels Mitführen eines Hahnes vor Trollangriffen schützen kann. Wir
hatten zwar keinen Hahn dabei, aber da die Sonne noch fast senkrecht vom
Himmel knallte bestand für die nächsten paar Stunden glücklicherweise
auch erstmal keine Gefahr.
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Bei der folgenden Station Rimdidim legten wir schließlich unsere Steine auf den großen Haufen, den andere Pilgernde dort schon angehäuft hatten. Damit legten wir symbolisch auch etwas ab, das wir im Leben loslassen wollten.
Zwar hieß die folgende Etappe auch wieder Steigender Pfad,
es ging aber erstmal entspannend bergab und in herrlichem Sonnenschein
weiter nach Süden, bis der Pfad relativ angenehm weiter anstieg. Da wir
ja nebenbei immer wieder ein paar Geocaches gesucht haben,
vertrödelten wir ziemlich viel Zeit in dornigen Gebüschen oder
modderigen Gruben. Nach 4,5 Stunden auf der
Neunkirchener Höhe mit dem Kaiserturm an. Mit 10,9 km reiner Pilgerwegstrecke ist hier etwa die
Hälfte geschafft.
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Aufgetürmte losgelassene Dinge.
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Wir mampften zur Feier der Halbzeit die abgelatschten Kalorien in Form eines Kuchens aus der Gaststätte wieder drauf und
marschierten dann auf dem Gnadenpfad durch schöne Landschaft weiter bis ins Dorf Neunkirchen. Es war etwas kälter geworden, aber durchaus angenehm zum Laufen.
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Wieder schöne Wiesen...
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Direkt hinter dem Ortsausgang hörten
wir es plötzlich von Westen her laut grollen. Gewitter? Hmm. Es
klang noch weit weg, und außerdem wurde uns ja gesagt, Gott behüte uns
und so. Offenbar mag Gott es aber net, wenn Ungetaufte auf seinen
Pilgerpfaden quasi schwarzfahren, denn es begann zu regnen. Passenderweise endete hier die Etappe Gnadenpfad, es begann der
Tauferinnerungspfad.
Aufgrund mangelnder Taufe konnten wir uns natürlich nicht erinnern,
wurden aber dafür jetzt betröppelt. Ich hoffe, ich gelte jetzt nicht als
getauft.
Nach einem kurzen Picknick unter einem
Baum sah es so aus, als wäre der leichte Regel vorbei, das Gewitter
schien vorbeigezogen. Also gingen wir weiter durch ein
Waldstück zur Station Marienteichhütte. Hier suchten
wir noch schnell einen Geocache, währenddessen begann es aber wieder zu
regnen - und diesmal deutlich stärker. Wir entschieden uns, jetzt doch
lieber einen Moment zu warten. Dann begann es zu hageln. Gott scheint
uns nicht zu mögen. Als plötzlich ca. 50 m hinter uns ein Blitz
einschlug und uns fast das Trommelfell wegfetzte, waren wir uns nicht
sicher, ob Gott uns jetzt hasst oder ob das noch ein positives Zeichen
war und der Blitz ansonsten die Hütte getroffen hätte... Vermutlich wollte aber nur Thor einfach mal wieder auf sich aufmerksam machen, damit nicht einer von uns versehentlich Christ wird.
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Erkennt man net, aber: es hagelt grade ca. 1 cm große Knollen.
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An den Bäumen flossen kleine
Sturzbäche herab und der nahegelegene Bach begann sich an
den Einflüssen zu überstauen. Inzwischen bestand der Marienteich nicht
nur aus dem kleinen Steinteich vor der Hütte, sondern breitete sich
auch um die Bänke und dahinter aus. Schließlich wurden die Abstände zwischen Blitz und Donner immer
länger, und nach einiger Zeit schien es nur noch zu regnen. Da wir schon eine gute Stunde warteten und langsam froren, beschlossen wir, schon weiter zu laufen.
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Natürlich hatten wir auch weder langen Hosen noch Regenjacken dabei, wer kann denn sowas ahnen... Auf der Etappe Seligpreisungspfad waren die Bäche ziemlich reißend und die Wege sehr
matschig.
Als wir aus dem Wald herauskamen, hatte
es aufgehört und warme Luft kroch aus dem Tal nach oben. Die Sonne kam
wieder heraus. Ein Teil aus dem Vers für diese Etappe schien mal wieder
ziemlich gut zu passen: "Mein Geist frohlockt: Der Herr ist mein Retter."
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Wieder deutlich besseres Wetter.
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Es folgten ein weiterer Stiller Pfad und noch ein Steigender Pfad, den ich nicht als besonders hart steigend in Erinnerung habe, dann kamen wir an der Heuneburg
an, einem Ringwall aus keltisch-germanischer Zeit. Zu erkennen ist der Haufen herumliegender Steine, der oben schon als Troll-Behausung gezeigt ist. Allerdings
fanden sich hier einige Worte in germanischen Runen auf die
Hinweisschilder gekritzelt und ein paar Blumen, die definitiv nicht von
allein hier hochgekommen sind.
Ist
bestimmt auch nervig für praktizierende Asatru, wenn hier ständig
christliche Pilgernde langlatschen, darum machten wir uns aus dem Staub,
bevor uns jemand für solche halten konnte. Es folgte ein Segnender Pfad, nach dem wir wieder in Niedernhausen ankamen und am Eselsbrunnen meinen
500. Geocache finden konnten. An diesem Brunnen wurde früher das Wasser
mit Eseln zum Dorf hinaufgeschleppt, was dann doch noch unerwartet hoch
lag. Mit letzter Kraft krochen wir eine ziemlich ungleichmäßige Treppe
mit gemeiner Steigung hinauf, die in der Pilgerbroschüre ziemlich
verharmlosend Wasserpfad genannt wurde.
Wir kamen an der Bushaltestelle vom Beginn unserer Expedition vorbei und gingen schließlich zum
Schloss Lichtenberg hinauf. Vor über 8 Stunden kamen wir hier schon lang (und eine Hochzeit da drin war immer noch nicht vorbei). Diesmal fanden wir auf dem
Erleuchtungspfad
die Wegmarkierung, an der wir beim ersten Versuch vorbeigelatscht sind,
und konnten uns auf dem Weg bergab zurück zur Kirche jetzt doch noch
vollständig und nun auch voll berechtigt erleuchten lassen.
Unser Fazit: Dank Geocaching, Essenspausen
und Gewitter haben wir 9 Stunden
statt der angegebenen 7 benötigt und waren noch ziemlich fit. Auf eine zweite Runde hatten wir trotzdem keine Lust mehr. Die Zeit bis der Bus kam reichte dann gerade noch für ein Eis (sehr passend, da der nur alle 2 Stunden kommt). Insgesamt
hat uns die Wanderung sehr gut gefallen, die Landschaft ist schön und
abwechslungsreich und die 22 km waren echt bequem zu schaffen.
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